Geoff Huston, Chef-Wissenschaftler des Asia Pacific Network Information Center (APNIC), erklärt, warum die Welt noch nicht auf IPv6 umgestiegen ist. Nach der Einführung von IPv6 war der Übergang nicht dringend. Experten gingen davon aus, dass Anwendungen, Hosts und Netzwerke sowohl IPv6 als auch IPv4 unterstützen würden. Mit dem Aufkommen des mobilen Internets und der steigenden Nachfrage durch Geräte wie das iPhone mussten Netzbetreiber jedoch ihre Ressourcen auf die Skalierung konzentrieren, anstatt auf die Einführung von IPv6.
Frühe mobile Netzwerke nutzten IPv4 und Network Address Translation (NAT), um mehr Geräte ohne eindeutige IP-Adresse zu verbinden. Trotz unterschiedlicher NAT-Implementierungen lernten Netzbetreiber, damit umzugehen. Die Einführung von Transport Layer Security (TLS) in Webservern trug ebenfalls zur Lebensfähigkeit von NAT bei.
Da Inhaltsanbieter weiterhin IPv4 nutzten, sahen Netzbetreiber weiterhin keinen Grund, auf IPv6 umzusteigen. Rund 40 Prozent des Internets unterstützen dennoch IPv6, hauptsächlich aufgrund der geringen IPv4-Zuweisungen in China und Indien.
Huston argumentiert, dass der Übergang zu IPv6 nicht bedeutet, dass IPv4 vollständig eliminiert werden muss. Er schlägt vor, den Übergang als abgeschlossen zu betrachten, wenn ein Dienstanbieter einen Internetdienst ausschließlich mit IPv6 betreiben kann, ohne IPv4-Zugangsmechanismen zu unterstützen.
Content Delivery Networks (CDNs), die den Großteil der Inhalte und Dienste an Endnutzer liefern, benötigen IPv6 nicht zwingend. CDNs nutzen Domainnamen, nicht IP-Adressen, um Nutzer zu den Servicepunkten zu leiten.
Huston stellt fest, dass die langsame Einführung von IPv6 nicht auf Kurzsichtigkeit der Branche zurückzuführen ist. Vielmehr sei IPv6 allein nicht entscheidend für viele Endnutzer-Dienstumgebungen. Er glaubt, dass Netzwerke in Zukunft möglicherweise an Bedeutung verlieren könnten, da Dienste zunehmend auf Anwendungen verlagert werden.
Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass netzwerkzentrierte Funktionen durch einfache, kostengünstige Paketübertragungsmedien ersetzt wurden. Netzwerke werden zu "dummen Rohren", während Anwendungen die Anforderungen überlagern. Angesichts dieser Entwicklungen fragt sich Huston, ob es nicht sogar an der Zeit ist, die Definition des Internets zu überdenken.